Offener Brief des Bürgermeisters         

Kein Wort ist in den letzten Wochen so oft durch die Presse gegangen wie „Corona“. Die Corona-Krise hat unser aller Leben auf unerwartete und abrupte Weise verändert und wird uns voraussichtlich noch auf unbestimmte Zeit beeinflussen. Als Bürgermeister kann ich eine hochsolidarische und mitfühlende Zivilgesellschaft erkennen, die insbesondere den Verlierern der Krise unter die Arme greifen will – für all die gestarteten Initiativen gilt es einmal aufrichtig „Danke“ zu sagen.

Wer hätte zu Beginn dieses Jahres damit gerechnet, dass wir in Deutschland im März an einen Punkt stoßen werden, an dem das öffentliche Leben faktisch zum Stillstand gekommen ist? Wir als Gemeinde Barleben auf jeden Fall nicht! Vielmehr war es gerade gelungen, wesentliche Schritte zu gehen und einen kommunalen Haushaltsausgleich zu erarbeiten. Die beteiligten GemeinderäteInnen und die MitarbeiterInnen der Verwaltung haben viele Stunden Haushaltszahlen analysiert und empfindliche Streichungen vornehmen müssen. Zahlreiche wichtige Maßnahmen wurden in die Zukunft aufgeschoben. Eine sachliche wie auch emotionale Notwendigkeit, diese aufgeschobenen Maßnahmen so schnell wie möglich zu realisieren, bleibt dennoch bestehen.

Wie bereits erwähnt, ist auch die Gemeinde Barleben durch die Corona-Krise ausgebremst worden. Da nun Abstand "die neue Nähe" ist, mussten benötigte Entscheidungen der Gremien vorerst verschoben werden. Als ein Schritt hin zur Normalität ist nun der Entwurf eines neuen Sitzungskalenders entstanden, der die Ausschuss- und Gremienarbeit ab Juni dieses Jahres vorsieht.

Wichtig ist jetzt vor allem, den Haushalt 2020 auf den Weg zu bringen, um die „PS auf die Straße zu bringen“.  Das Geld der öffentlichen Hand muss schleunigst der Volkswirtschaft zur Verfügung stehen. Zahlen aus der Vergangenheit zeigen, dass auf einen investierten Euro aus dem öffentlichen Sektor drei bis vier Euro aus der Privatwirtschaft kamen. Dieses Investitionsklima ist aus meiner Sicht dringend anzuregen und wiederherzustellen! Eine Haushaltssperre auf Grund von Corona halte ich für unsere Gemeinde daher für nicht zweckmäßig und den falschen Weg.

Neben den Feststellungen, wie schnell sich manche Dinge „digitalisieren“ lassen, wenn es denn sein muss, stellte ich fest, dass eine Vielzahl an Menschen aufopfernd und engagiert ihrer täglichen Arbeit nachgeht. Die (Verwaltungs-) Aufgaben werden zum Teil auf neue, schnelle und/oder andere Art und Weise erledigt, als es bisher der Fall war. Für die Bereitschaft, diese Aufgaben positiv anzugehen und nicht an deren Herausforderungen zu verzagen, gilt es sich gegenseitig Respekt und Anerkennung zu zollen.  Die Corona-Krise ist eine historische und einschneidende Situation, die viele Generationen so zum allerersten Mal erleben. Wir konnten nicht üben, wir konnten nicht lernen. Systeme, die über viele Jahre oder Jahrzehnte entwickelt und perfektioniert wurden, werden nun zum Teil neu und vom Grunde heraus anders konzipiert. Für die „Reibung“, die dabei entstehen wird, brauchen wir gegenseitiges Verständnis und Gelassenheit. 

Große Anerkennung habe ich auch für die Personen, die direkt in vorderster Reihe „Dienst schieben“. Sie sind enorm wichtig und machen einen bemerkenswerten Job! Sie können sich sicher sein, dass unsere Gedanken oft auch bei Ihnen sind.  Passen Sie auf sich auf und scheuen Sie nicht, wenn nötig, Respekt und Abstand bei Ihren Mitmenschen einzufordern. Unser gesellschaftlicher Dank für das Geleistete gilt ausdrücklich Ihnen!

Bei den nun erlebbaren, notwendigen und geforderten Lockerungen des Shutdown werden auch weiterhin wirtschaftliche Ungleichheiten auftreten, die zu erheblichen Spannungen führen. Das ist sehr bedauerlich und für viele sehr schmerzhaft. Insbesondere denke ich dabei an die Sportvereine, Fitnessstudios, Hotels, Restaurants, Veranstalter, „Beauty-Berufe“ uvm. Die Maßnahmen der Bundes- und Landesregierung dienen jedoch weiterhin der Verlangsamung der Ausbreitung des Virus. Aus diesem Grund muss ich weiterhin um Ihre Disziplin und Ihre Geduld werben.

Ich halte es weiterhin für wesentlich, dass das Infektionsgeschehen kontrollierbar und beherrschbar für unser Gesundheitssystem bleibt. Den Empfehlungen der Virologen und Experten werde ich auch zukünftig Glauben und Vertrauen schenken. Internationale Analyseagenturen, wie beispielswiese „Deep Knowledge“, attestieren unserer Bundesregierung ein vorbildliches Agieren im Hinblick auf die Corona-Pandemie. In einem Ländervergleich erreicht Deutschland einen guten 2. Platz in den TOP 40. Bemerkenswert ist, dass es Länder, wie die USA, Spanien und Großbritannien auf Grund ihres Scorings gar nicht in das Ranking geschafft haben. Erwähnt sei auch Schweden, das mit seiner äußerst liberaleren Corona-Strategie, nur einen der hinteren Plätze (Platz 24) belegt.

Viele der genannten Branchen würden lieber „jetzt als gleich“ wieder in eine vollständige Normalität zurückkehren. Persönlich bin ich davon überzeugt, dass im Besonderen die Corona-Lage in Sachsen-Anhalt einen guten Verlauf genommen hat und daher die politischen Entscheider über weitere Lockerungen debattieren müssen. Dass es überhaupt zu diesen Überlegungen kommen kann, ist neben unserer Disziplin vor allem auf unser sehr gut aufgestelltes Gesundheitssystem mit der weltweit höchsten Anzahl an Intensivbetten (pro 100.000 Einwohnern) zurückzuführen. Darüber hinaus verfügen wir über einen sehr gut funktionierenden „Gesundheitsapparat“, der in der Lage ist, wöchentlich über 730.000 Corona-Tests durchzuführen und auszuwerten.

Deutschland setzt im Umgang mit der Corona-Krise Maßstäbe. Davon bin ich überzeugt. In kürzester Zeit ist ein Auffangnetz entstanden. Zahlreiche Unterstützungsleistungen, wie Subvention, Kredite, Steuererleichterungen, Kostenübernahmen und sogar ganze Förderprogramme wurden aufgelegt, um der Wirtschaft in Deutschland zu helfen. Diese Leistungen sind jedoch nur möglich, weil Deutschland nach über 10 Jahren Wirtschaftswachstum die entsprechende Leistungsfähigkeit aufweist. Damit aber diese Leistungsfähigkeit erhalten bzw. wiederhergestellt werden kann, müssen nun auch weitreichende Konjunkturprogramme auf den Weg gebracht werden.

Wenn man den Historikern Glauben schenkt, dann liegt in jeder Krise auch eine gewaltige Chance. Ich möchte diese Chance auch sehen. Denn so kann ich mir zum Beispiel vorstellen, dass der „Green Deal“ der EU durch weitere nationale Programme flankiert werden kann, um so bei zukünftigen Wirtschaftsförderungs- und Konjunkturprogrammen die Ökologie nicht zu vernachlässigen und eine veränderte Nachhaltigkeit zu realisieren. Nach meinen Informationen werden sich sehr viele Akteure aus den aktuellen Regierungsebenen von Bund und Land der Idee einer ausgewogeneren Bilanz von Ökonomie und Ökologie verschreiben. Das ist aus meiner Sicht sehr zu begrüßen.
Des Weiteren nehme ich sinnvolle und zu begrüßende Aktivitäten wahr, die sich dafür einsetzen, dass Produktions- und Handelsstrukturen wieder verstärkt in Deutschland und Europa abgebildet werden, denn das stärkt die Binnenwirtschaft.
Bei all den Deglobalisierungstendenzen ist jedoch nach meiner Auffassung ein nationaler Alleingang nicht sinnvoll und sollte vermieden werden. Als rohstoffarmes Land werden wir in Deutschland weiter einen intensiven Handel mit anderen Nationen brauchen.

Zum Ausgang dieses offenen Briefes möchte ich Herrn Söder zitieren, der in der Debatte um Lockerungsmaßnahmen kürzlich sagte: „Wir müssen einen klugen Weg finden. Ja, den Weg anpassen, aber nichts überstürzen. Offenheit statt Sturheit, aber eben doch vernünftig anpassen. Schritt für Schritt gehen. Wer aber zu schnell rennen will, wird stolpern.“

Für unser aller Wohl, bleiben Sie solidarisch und diszipliniert. Es tut uns gut.
Passen Sie auf sich auf und bleiben Sie gesund.

 

Ihr Frank Nase
Bürgermeister Gemeinde Barleben

 

BM Frank Nase B+C

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